Michael Hoffmann

Bausachverständiger
Ihr Experte für Bau, Bausubstanz und Bau- und Sanierungsplanung

Polierte Fliesen und Platten aus Feinsteinzeug-Material

Fallbeschreibung aus Sicht des Auftraggebers

 
Eine Reinigungsfirma, die in einer Zahnarztpraxis vertretungsweise für eine andere Firma die Reinigung übernommen hatte, wurde dafür verantwortlich gemacht, die Oberfläche der Fliesenflächen (Glasur) in Teilbereichen durch ein Reinigungsmittel beschädigt zu haben. Durch einen hinzugezogenen Sachverständigen / Gutachter sollte die Schadensursache bestätigt und eine Schadensumme ermittelt werden. Die Reinigungsfirma teilte dem Sachverständigen / Gutachter mit, dass sie von dem Auftraggeber aufgefordert wurde, vorhandene Flecken auf den Fliesen zu reinigen/ zu entfernen. Da es sich dabei um Flecken gehandelt hat, die nur durch eine intensive Reinigung entfernt werden konnten, veränderte sich die Oberfläche der Fliesen in den gereinigten Bereichen. Die Reinigungsfirma stellte dem Sachverständigen / Gutachter eine Liste der verwendeten und mutmaßlich verwendeten Reinigungsmittel zur Verfügung. Eines der Reinigungsmittel wies als Inhaltsstoff 5%-ige Milchsäurelösung auf. 
 
 

Schilderung der örtlichen Gegebenheiten und gewonnenen Erkenntnisse 

 
Bei der visuellen Besichtigung durch den Sachverständigen / Gutachter konnte je nach Lichteinfall eine veränderte Oberflächenreflexion erkannt werden. Der gereinigte Bereich wirkte heller und matt, wohingegen alle anderen Fliesen dunkler und glänzend waren. Die verarbeiteten Fliesen bestanden aus Feinsteinzeug-Material mit einer leichten Oberflächenstruktur. Die Prüfung der Oberflächenstruktur durch Zuhilfenahme einer Macro-Aufsatzlinse (35-fach) ließ keinen sichtbaren Unterschied erkennen. 
Es gibt nur wenige Reinigungsprodukte (Chemikalien), die Fliesen aus Feinsteinzeug-Material an der Oberfläche schädigen können. Des weiteren können durch den Hersteller von Fliesen aus Feinsteinzeug-Material unterschiedliche Oberflächenveredelungen / -beschichtungen aufgebracht worden sein. 
Um Näheres zu erfahren, erkundigte sich der Sachverständige beim Auftraggeber, ob dieser ihm die genaue Bezeichnung der Fliesen und des Herstellers nennen kann, oder ggf. noch eine Verpackung der Fliesen vorhanden ist. Glücklicherweise konnte der Auftraggeber dem Sachverständigen / Gutachter noch einen alten Karton und eine Originalfliese zur Verfügung stellen, so dass dieser eine Überprüfung vornehmen konnte, ob die Fliesen Eigenschaften besitzen, die für eine Pflege oder die Einbauphase relevant sein könnten. 
Dieses war nicht der Fall.
Ein Vergleich der alten, eingelagerten Ersatzfliese mit dem strittigen Bereich ergab dann, dass die Ersatzfliese eine vergleichbare Farbe und einen vergleichbaren Oberflächeneffekt hatte, wie die intensiv gereinigten Fliesen und der Sockelfliesen.
Eine Fragestellung des Sachverständigen / Gutachters an den Auftraggeber, ob ihm bekannt ist, dass der Fliesenleger nach dem Einbau der Fliesen eine Veredelung der Oberfläche vorgenommen habe, konnte nicht bestätigt werden.   
 
 

Fazit zum Fall

 
Der Sachverständige / Gutachter kam nach Auswertung aller Informationen und Erkenntnisse zu dem Schluss, dass die Reinigungsfirma, welche eine Urlaubsvertretung benötigte und seit mehreren Jahren mind. fünf Mal wöchentlich die Praxis reinigt, dauerhaft oder über einen zurückliegenden Zeitraum Reinigungsmittel verwendet hatte, welches z.B. Wachsbestandteile für einen Glanzeffekt beinhaltete. Über diesen Zeitraum und den Reinigungsintervallen (z.B. 5-10 Jahre, 50 Wochen je Jahr und 5 Tage je Woche) baute sich auf der Oberfläche der Fliesen eine Patina auf. 
Die intensive Reinigung der Fliesenfläche entfernte somit die Patina auf der Oberfläche.
Der entstandene Schaden für den Auftraggeber, der sich auf eine rein optische Beeinträchtigung der zusammenhängenden Fliesenfläche aus den gleichen Fliesen begrenzt, lässt sich aus Sicht des Sachverständigen / Gutachters auf eine zusätzliche Intensivreinigung der restlichen Fläche begrenzen. Eine Leistungsschuld durch ein Versäumnis der Reinigungsfirma, die als Urlaubsvertretung gereinigt hat, kann vom Sachverständigen / Gutachter nicht erkannt werden.    
Unabhängig des glücklichen Zufalls, das bei dem geschilderten Fall noch eine Ersatzfliese und der Karton mit den Informationen des Herstellers vorhanden waren, hätten vom Auftraggeber im Vorfeld schriftlich zu bestätigende Untersuchungen wie, Tests mit wachslösenden Reinigungsmitteln oder Probeentnahmen und Laboruntersuchungen zur Aufklärung führen können. 
 
 

Informationen über die Pflege von Fliesenflächen

 
Auch wenn von den Herstellern, Verkäufern (Fachhandel) und von den ausführenden Verlege-Firmen Fliesen aus Feinsteinzeug-Material als sehr hochwertig, langlebig und mit weiteren positiven Eigenschaften empfohlen werden, ist darauf hinzuweisen, dass diese Fliesen insbesondere bei der Oberflächenoptik einige Besonderheiten aufweisen können. Polierte Fliesen oder auch lackierte Fliesen aus Feinsteinzeug-Material bedürfen einer besonderen Verarbeitung und/oder Reinigungshinweise. Diese sind im Vorfeld durch den Hersteller in Erfahrung zu bringen, sofern diese nicht durch bereits mitgelieferte Informationen (Merkblätter oder Informationen auf der Verpackung) erfasst werden können. 
Werkseitiger Transportschutz aus Wachsen, zur Vermeidung von Oberflächenkratzern, können ebenfalls bei der Verarbeitung (Verfügung) und späteren Wartung zu Problemen führen. Eine Prüfung könnte dabei durch hohe Hitzeeinwirkung (keine einfache Flamme aus Feuerzeug oder durch Streichholz) im Vorfeld durchgeführt werden. Die Verwendung von Öl- und Wachsentferner vor der Verfugung wird in diesen Fällen meistens empfohlen. 
Weitere Effekte für kritische Oberflächen können bei Fliesen aus Feinsteinzeug-Material metallisch wirkende oder glänzende Oberflächenoptiken (z.B. Regenbogenfarbspiel, Bronze-, Kupfer-, Kupferpatina-, Graumetallicoptik usw.) sein. Die Hersteller verwenden dabei unterschiedliche Metalloxide, die vor dem Brennen auf die Oberfläche oder in die Glasur eingeschliffen oder aufgedampft werden. Diese Oxide wiederum können chemisch mit säurehaltigem Reinigungsmittel reagieren und dabei die Oberfläche der Fliesen verändern und schädigen. Auch bei diesen Fliesen sollte im Vorfeld geklärt werden, welche Besonderheiten bei der Verarbeitung und Pflege zu beachten sind. 
Schichtbildende / patinabildende Pflegeprodukte (wie im oben beschriebenen Fall) sollten nicht bzw. ohne Rücksprache mit den Herstellern des Verlegematerials, des Verfugungsmaterials und des Auftraggebers/Eigentümers der Pflegefläche verwendet werden.
 
 

Auf welche Bestandteile sollte ich bei Reinigungsmitteln achten

 
Zur Bestimmung der chemischen Beständigkeit von keramischen Fliesen und Platten bei Raumtemperatur wurde in der Industrienorm EN ISO 10545-13 ein Prüfverfahren festgelegt. In der Norm werden dabei Haushaltschemikalien, Schwimmbadsalze (z.B. Chlorsalze) sowie ausgewählte Säuren und Laugen in unterschiedlicher Konzentration (geringe Konzentration „L“ & hohe Konzentration „H“) auf alle Arten von keramischen Fliesen und Platten sowie in ihrer Oberflächengestaltung (glasiert „G“ & unglasiert „U“) getestet. Je nach Veränderung / Wirkung der Prüfflüssigkeiten wird in der Norm zwischen „keine sichtbare Veränderung (A)“, „deutliche Veränderung des Aussehens (B)“ und „teilweiser oder vollständiger Verlust der ursprünglichen Oberfläche (C)“ unterschieden.  Als gering konzentriere Prüfflüssigkeiten „L“ werden (1) Salzsäurelösung, 3 % / (2) Zitronensäurelösung, 100 g/l / (3) Kaliumhydroxidlösung, 30 g/l und als hohe konzentriere Prüfflüssigkeiten „H“ (1) Salzsäurelösung, 18 % / (2) Milchsäurelösung, 5 % / (3) Kaliumhydroxidlösung,100 g/l verwendet. Es sollte daher im Vorfeld geklärt werden, ob die zu verwendenden Reinigungsmittel diese Laugen und Säuren enthalten und  ob die zu reinigenden keramischen Fliesen und Platten Oberflächenveränderungen unterliegen können. 
Die Hersteller von keramischen Fliesen und Platten erstellen für ihre einzelnen Vertriebsprodukte technische Informationsblätter, in denen neben weiteren zu erfüllenden Normen und Prüfverfahren auch die zuvor- und nachstehenden Prüfergebnisse enthalten sind. 
 
Zusätzlich zu der chemischen Beständigkeit ist der Folgeteil der Norm (EN ISO 10545-14) mit zu benennen, die sich mit der Fleckenbeständigkeit aller Arten von keramischen Fliesen und Platten auseinandersetzt. In der Norm werden dabei Öle, Reinigungsmittel, Lösemittel und weitere fleckenbildende Substanzen verwendet. Die Einteilung findet abschliessend in Klassen statt (5-1), wobei die Klasse 5 die höchste Beständigkeit aufweist und mit abnehmender Zahl das Material eine abnehmende Fleckenbeständigkeit hat.     
 
Eine Fliese aus Feinsteinzeug-Material, welche beispielsweise laut ihrem technischen Informationsblatt gemäß EN ISO 10545-13 eine Klassifizierung UHA und gemäß EN ISO 10545-15 eine Klasse 5 aufweist, ist somit als „unglasiert (U) – mit hochkonzentrierten Prüfflüssigkeiten getestet worden (H). Sie zeigt keine sichtbare Veränderung (A)“ und „hat eine hohe Fleckenbeständigkeit (Kl.5)“
 
Einen besonderen Hinweis, neben den zuvor beschriebenen Säuren, ist bei keramischen Fliesen und Platten auf Flusssäure (auch Fluorwasserstoffsäure genannt) zu geben. Diese Säure ist so ätzend, dass sie nicht nur stark gesundheitsgefährdend ist, sondern auch Glas und Keramik angreift. Keramischen Fliesen und Platten besitzen daher keine Widerstandsfähigkeit. Dem Umstand des Angriffs auf Keramik und Glas geschuldet, findet Flusssäure/Fluorwasserstoffsäure nicht nur in der verarbeitenden Industrie, sondern in verdünnter sowie geliger Form u.a. auch in Zahnarztpraxen Anwendung. 
 
Für einen Planer und planenden Verarbeiter sollte vor der Ausführung eine Bedarfsanalyse mit dem Auftraggeber durchgeführt werden, in der neben der geplanten Nutzung, auch das gewünschte Material besprochen wird, bei dem alle möglichen Aspekte sowie Risiken während der Verarbeitung, Nutzung und Wartung in Betracht gezogen werden.   
 
 

Quellenangaben:

 
Da für diesen Artikel, neben der bereits im Text genannten/zitierten Dokumente, auch durch Dritte verfasste Publikationen/Ausarbeitungen als Grundlage und/oder Inspiration von mir hinzugezogen wurden, mache ich auf diese Hilfsmittel wertschätzend und danksagend mit folgenden Quellenangaben aufmerksam:
 
  • Metallisch glänzt das Feinsteinzeug – Zeitschrift: Fliesen & Platten 06/2009
  • „Oberflächlichkeit“ – Zeitschrift: Fliesen & Platten 12/2015

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